Wenn die Schauspieler das Schauspielern lernen
Der Besuch im Großen Haus des Meininger Theaters ist für viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Theaterabonnements ein Highlight und auch dieses Jahr konnte die Vorstellung “Good bye, Lenin!” am 07.02.24 überzeugen. Bereits auf dem Weg zum Theater wurde man in die Zeit des geteilten Deutschlands versetzt, in der das Stück spielt. Sowohl die vor dem Gebäude stationierte Volkspolizei als auch die Grenzkontrollen, welche man zwischen Eingang und Saal passieren musste und die durch Schauspieler durchgeführt wurden, sorgten für eine erste Einstimmung in die damalige Welt.
Das Stück „Good bye, Lenin“, welches auf dem Film von Wolfgang Becker und Bernd Lichtenberg basiert, erzählt von zwei jungen Erwachsenen, Alex und Ariane, die gemeinsam mit ihrer vom Sozialismus überzeugten Mutter Christiane in Ostberlin leben. Als diese ihren Sohn auf einer Montagsdemo entdeckt, erleidet sie, aufgrund des Schocks, einen Herzinfarkt und verfällt daraufhin ins Koma. Als Christiane wieder erwacht, hat sich alles verändert, die innerdeutschen Grenzen sind geöffnet worden, ihre Kinder und Freunde haben sich mehr oder weniger an das neue Leben gewöhnt, aber sie selbst ist labil und würde eine weitere schockierende Offenbarung wohl nicht überleben; und eine solche ist die Wiedervereinigung sicherlich. Um seine Mutter zu schützen, beschließt Alex, diese “kleine Neuigkeit” vor ihr geheim zu halten. So spielt Jan Wenglarz als Alex bald nicht mehr nur den verzweifelten Sohn von Christiane, sondern auch den Sohn, der selbst zum Schauspieler wird, um seine Mutter vor weiteren Schrecken zu bewahren. Bei diesem Vorhaben stößt Alex aber auf immer größer werdende Hindernisse, denn nicht nur die Spreewaldgurken existiernen in seiner erfundenen Version der DDR nicht mehr, auch Freunde handeln nicht immer so wie geplant. Typisch Folgen der DDR-Planwirtschaft – ausverkaufte Produkte und falsche Vertraute? Irgendwann kann er die Steine in seinem Weg schlichtweg nicht mehr überwinden. Um sein eigenes Schauspiel authentischer wirken zu lassen, engagiert Alex einen ehemaligen Pionierchor, der seiner Mutter zum Geburtstag vorsingt und der bereits zum Einstieg gemeinsam mit mysteriös wirkenden schwarz gekleideten Gestalten aufgetreten ist. Während diese erste Gesangseinlage die Atmosphäre erfolgreich an das folgende Stück anpasste und auch die späteren Chorauftritte weitestgehend eine auflockernde Wirkung hatten, gab es auch einige Einlagen, die uns weniger sinnvoll erschienen und das Stück unnötig unterbrachen. Dazu zählte beispielsweise das wiederholte Singen von “Unsere Heimat, das sind nicht nur die Städte und Dörfer” durch den Pionierchor. Außerdem fielen im Verlauf des von Humor geprägten Stücks immer wieder gewisse Unterschiede bei den Reaktionen des Publikum auf. Denn wenn der ältere Teil der Zuschauer wieder einmal in lautes Gelächter ausbrach, erntete er von den jüngeren Theaterbesuchern, die auch dieses Mal als Minderheit vertreten waren, verwirrte Blicke. Die Witze, die die Darstellung durchzogen, basierten in den meisten Fällen auf Erfahrungen, die nur von Menschen nachvollzogen werden können, die das geteilte Deutschland, genauer die DDR, erfahren haben. Das Theater Meiningen hat mit dieser Aufführung auf ein interessantes Thema der Geschichtskultur aufmerksam gemacht, und zeigt einen wichtigen Aspekt der deutschen Geschichte treffend, obwohl die eingesetzten Mittel nicht immer die gewünschte Wirkung erzielten. Kleine Details, wie das mehrfache Durchbrechen der 4. Wand und die durchgehende Präsenz der meisten Schauspieler im Hintergrund oder am Rand der Bühne, während der sie ihre Rollen auch in Szenen, in denen sie nicht vorkamen, weiterspielten, sorgten für ein besonderes Theatererlebnis, welches vielleicht nicht der aktuelle Favorit der TeilnehmerInnen des diesjährigen Theaterabos wird, aber sicherlich in guter Erinnerung bleibt.
Isabel Memmel und Marie Elsner (Klasse 11b)